Andreas Scheuer

Dauerstreit um StVO-Novelle ­– Scheuer plant Findungskommission

Aufgrund eines Formfehlers mussten neu beschlossene Bußgelder der Straßenverkehrs-Ordnung 2020 außer Kraft gesetzt werden. Deshalb will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nun eine Findungskommission einsetzen.

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Foto: elsop /pixabay.com

Die Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung 2020 hat im vergangenen Halbjahr für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Aufgrund eines Formfehlers mussten neu beschlossene Bußgelder außer Kraft gesetzt werden. Seither streitet die Politik über die Lösung des Problems. Jetzt will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine Findungskommission einsetzen, um die Länder zusammenzubringen.

Juristischer Formfehler verursacht Rechtsunsicherheit und Bürokratiechaos

Dass eine Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) derartige Wellen schlägt, hätte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens sicherlich keiner der verantwortlichen Akteure für möglich gehalten. Nachdem der Bundesrat den Änderungsvorschlägen im Februar 2020 zustimmte und die Novelle am 28. April 2020 wirksam wurde, folgte im Juli des vergangenen Jahres bereits das böse Erwachen: Ein juristischer Formfehler (Verstoß gegen das Zitiergebot) sorgte für Rechtsunsicherheit und machte mehrere Neuerungen der StVO unwirksam.

Seither streiten Bund und Länder über Fahrverbotsregelungen und die Höhe von Bußgeldern. „Knackpunkt der derzeitigen Diskussion ist jedoch das Fahrverbot, welches die neue StVO bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h bzw. 26 km/h außerorts vorsah“, fasst das Verbraucherportal zum Bußgeldkatalog in einem Beitrag zur StVO und dessen historischer Entwicklung unter bussgeldkatalog.org/stvo/ die aktuelle Debatte zusammen. Während Verkehrsminister Andreas Scheuer die strengeren Strafen kippen will, halten Bundesrat und mehrere Bundesländer an den Neuerungen fest. Die härteren Fahrverbotsregeln für Temposünder sollten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Kernziel der Novelle war mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer. Der Formfehler hat dazu geführt, dass Verkehrsteilnehmer kein Fahrverbot zu erwarten haben, wenn sie innerorts 21 km/h und außerorts 26 km/h zu schnell gefahren sind.

Welche verkehrssicherheitsfördernden Änderungen die StVO-Novelle insgesamt umfasst, hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat unter dvr.de/presse/ thematisiert.

Lange kein Kompromiss in Sicht

Nach einer mehrmonatigen Debatte brachte auch die am 6. November veranstaltete Plenarsitzung des Bundesrats keine Einigung. Dabei hatte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Anke Rehlinger (SPD) ein Kompromisspapier vorgelegt. Der Inhalt des Papiers sollte ein Entgegenkommen von Rehlinger gegenüber den Grünen und der Union sein: Der Kompromissvorschlag sah vor, dass Verkehrssündern ein Fahrverbot erst ab 26 km/h innerorts und ab 36 km/h außerorts drohen sollte. Die Bußgelder sollten hingegen deutlich erhöht werden – die Strafen hätten sich nahezu verdoppelt.

Doch soweit kam es nicht, da das Kompromisspapier abgelehnt wurde. Lediglich die Grünen konnte Rehlinger überzeugen. Verkehrsminister Scheuer, Union und FDP hatten sich bereits damals für mildere Strafen ausgesprochen. Sie erklärten, dass sie den Formfehler nur beheben wollen, wenn es zu einer deutlichen Abschwächung der unverhältnismäßig strengen Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen kommt.

Führt die Findungskommission zum Ziel?

Aufgrund der Tatsache, dass das Gesetzgebungsverfahren nach dem Formfehler komplett wiederholt werden muss, war eine zügige Einigung in der Sache von Beginn an unwahrscheinlich. Zudem wurde ein neuer Streit über den Inhalt der Novelle entfacht, weshalb sich das Verfahren weiter ausdehnt. Wie die Zeit Online am 11. Januar 2021 unter zeit.de/politik/ berichtete, plant Scheuer nun eine Findungskommission, um die Länder an den Verhandlungstisch zu bekommen und den Streit über den Bußgeldkatalog beizulegen. Bei der Reform zum Personenbeförderungsgesetz hätte dies gut funktioniert. Ob der Vorschlag des Bundesverkehrsministers endlich zu einer Einigung führt, bleibt abzuwarten. Bis eine Entscheidung gefällt wurde, kommen Raser jedenfalls mit milderen Strafen davon.

Hintergrund zum Verstoß gegen das Zitiergebot: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Artikel 80 Absatz 1 schreibt vor, dass Verordnungen die jeweilige Rechtsgrundlage beinhalten müssen. Bei der Angabe des § 26a Straßenverkehrsgesetz wurde in der StVO-Novelle aus dem Jahr 2020 die Nr. 3 von Absatz 1 vergessen. Dieser Teil bezieht sich auf Fahrverbote. Weil er fehlte, wurden zahlreiche Bußgeldbescheide aufgrund der Rechtsunsicherheit ungültig. In den meisten Bundesländern kommen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen deshalb seit Bekanntwerden des Formfehlers die alten Bußgelder zur Anwendung. Ein Fahrverbot droht erst, wenn Straßenverkehrsteilnehmer innerorts mindestens 31 km/h und außerhalb geschlossener Ortschaften 41 km/h zu schnell unterwegs waren.


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