Ab Montag (20.04.) müssen Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege wegen einer Krankschreibung wieder in die Arztpraxis gehen.
Arbeitnehmer, die sich wegen einer Erkältung krankschreiben lassen wollen, müssen dafür ab diesem Montag (20.04.) wieder beim Arzt vorsprechen. Eine telefonische Krankschreibung ist nicht mehr möglich. Die entsprechende Ausnahmeregelung hatte der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und gesetzlichen Krankenkassen (G-BA) am Freitag (17.04.) nicht verlängert - gegen die Stimmen von Medizinern und Krankenhäusern.
Massive Kritik an Beschluss
Gesundheitspolitiker, Gewerkschaften und Verbraucherschützer hatten das massiv kritisiert und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aufgefordert, die Entscheidung außer Kraft zu setzen und telefonische Krankschreibungen weiterhin zu ermöglichen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte auf Nachfrage darauf verwiesen, dass es sich um eine Entscheidung der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen handele. Der G-BA Vorsitzende Josef Hecken hatte das Auslaufen der Regelung mit einer deutlichen Verlangsamung der Dynamik im Zusammenhang mit der Corona-Krise begründet. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb am Samstag bei Twitter: "Jetzt die telefonische Krankschreibung auslaufen zu lassen ist klar falsch. Es hat sehr geholfen, dass Kranke nicht in den Wartezimmern gesessen haben."
Erhöhtes Ansteckungsrisiko in Arztpraxen?
Die Freie Ärzteschaft (FÄ) kritisiert diese Entscheidung ebenfalls scharf. "Das ist unverantwortlich. Diese Patienten könnten eine harmlose Erkältung haben, aber auch an Covid-19 erkrankt sein und damit Ärzte, Praxispersonal sowie andere Patienten mit teilweise schweren Erkrankungen anstecken", sagte FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich am Sonntag (19.04.) in Essen. "Es ist empörend, wie der dringend gebotene ärztliche Sachverstand hier missachtet wird."
Ausnahmeregelung hätte länger dauern sollen
Dabei sollte die Ausnahmeregelung der AU-Richtlinie ursprünglich bis zum 23. Juni 2020 gelten. Aus gutem Grund: Das Ansteckungsrisiko in den Arztpraxen sollte verringert werden. Ärzte konnten deshalb bisher eine Arbeitsunfähigkeit (AU) auch telefonisch feststellen. "Vermutlich auf Druck von Wirtschaft und Krankenkassen wird diese Regelung nun zurückgenommen - die dadurch wachsende Gefährdung von nicht-infizierten chronisch Kranken und medizinischem Personal wird offenbar in Kauf genommen", kritisiert FÄ-Vize Dr. Axel Brunngraber. "Mehr als fünf Prozent der erfassten Infizierten stammen jetzt schon aus den Gesundheitsberufen - das ist wohl noch nicht genug. Covid-19 ist auch für medizinisches Personal eine gefährliche Erkrankung. Wir fordern die Beibehaltung der telefonischen Krankschreibung wie geplant bis zum 23. Juni."
Gelber Schein weiterhin online
Besonders widersinnig erscheint die G-BA-Entscheidung vor dem Hintergrund, dass eine Firma unter AU-Schein.de weiter AU-Bescheinigungen online verkaufen darf. "Obwohl dieses Vorgehen in völligem Gegensatz zu den AU-Richtlinien des G-BA steht, wird nichts dagegen unternommen. Hier sollte der G-BA handeln", fordert Wieland Dietrich. Zudem hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil inzwischen den Arbeitsschutzstandard COVID-19 klargestellt: "Personen mit erkennbaren Symptomen (auch leichtes Fieber, Erkältungsanzeichen, Atemnot) verlassen den Arbeitsplatz bzw. bleiben zu Hause, bis der Verdacht ärztlicherseits aufgeklärt ist." FÄ-Chef Dietrich erläutert: "Die Betroffenen sollen schließlich ihre Kollegen nicht gefährden. Auch das Personal in den Arztpraxen darf nicht gefährdet werden - die Praxisinhaber sind für den Schutz ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Am besten aufgehoben sind Patienten mit leichten Atemwegssymptomen daher zu Hause, gegebenenfalls mit Testung, und wer einen AU-Schein benötigt, muss diesen auch weiterhin per Telefon bekommen können."