Nach stundenlangen Gesprächen mit den Länderchefs hat Angela Merkel am Mittwochabend (15.04.) den langen Weg aus den Coronabeschränkungen präsentiert.
Viele Deutsche hatten nach den wochenlangen Beschränkungen durch die Coronapandemie sicherlich den großen Vorwurf von Kanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten erwartet, als diese am Mittwochabend (15.04.) knapp eine Stunde lang vor die Kameras traten, um die Beschlüsse zum weiteren Vorgehen in der Coronakrise zu präsentieren. Doch gleich zu Beginn macht Merkel äußerst deutlich: Einen Weg aus der Coronakrise gibt es nur in äußerst kleinen Schritten und die Erfolge sind mehr als brüchtig. Wagt man jetzt zu viel und zu schnell, kann schnell wieder alles kollabieren. Die beschlossenen Änderungen der bestehenden Verfügungen sind deshalb eher marginal.
Geschäfte dürfen wieder öffnen
Bund und Länder wollen in einem ersten Schrit die Öffnung von kleineren Geschäften wieder ermöglichen - eine Ballung in Innenstädten soll aber vermieden werden. Unter strengen Hygieneauflagen sollen Geschäfte bis zu 800 Quadratmeter Verkaufsfläche wieder öffnen dürfen. Unabhängig von der Verkaufsfläche gilt dies für Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen. Die Geschäfte sollen den Zutritt steuern. Friseure sollen sich auf einen baldige Öffnung ab dem 4. Mai vorbereiten.
Merkel sagte, es solle nicht der gesamte Publikumsverkehr in den Städten möglich gemacht werden, sondern dies solle dosiert passieren. Riesige Schlangen auf den Straßen sollten verhindert werden. Beim Einlaufen im Einzelhandel wird laut Beschluss dringend empfohlen, eine Alltagsmaske zu tragen.
Restaurants bleiben geschlossen
Anders sieht es hingegen bei Restaurants aus. Diese bleiben vorerst weiter geschlossen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Geschlossen haben weiter auch Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen sowie Theater, Opern und Konzerthäuser. In Gaststätten seien solche Beschränkungen oder Mindestabstände zu anderen Personen überhaupt nicht zu kontrollieren. Man müsse jetzt zuerst einmal schauen, wie sich die jetzt beschlossenen zurückhaltenden Schritte auswirkten, argumentierte die Kanzlerin. Das sei erst in 14 Tagen, drei Wochen zu sehen. Danach müsse man über weitere Schritte nachdenken.
Die Schulen sollen schrittweise öffnen
Die Schulen bleiben auch für die meisten erst einmal dicht. Nur für einige Jahrgänge gibt es ab dem 4. Mai wieder Unterricht. Der Schulbetrieb soll vom 4. Mai an schrittweise wieder hochgefahren werden - zuerst gibt es Unterricht für die Abschlussklassen, die obersten Grundschulklassen und die, die im kommenden Jahr Prüfungen
ablegen. Anstehende Prüfungen sind bereits vorher möglich. "Ich weiß, wie viele Menschen in Deutschland gerade diese Diskussion verfolgen. Denn es ist natürlich eine ganz, ganz schwierige Situation für Eltern", sagte Merkel. Mit Blick auf den Schutz von Menschenleben müsse man hier "ganz behutsam, ganz schrittweise vorgehen". Man brauche Konzepte für Pausen und Schulbusse. "Es wird also ein hoher logistischer Aufwand zu betreiben sein, und deshalb bedarf es einer intensiven Vorbereitung." Alle anderen Klassen und Kitakinder müssen bis auf Weiteres zu Hause bleiben.
Kontaktbeschränkungen bleiben bestehen
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder verständigtensich am Mittwoch außerdem darauf, dass die wegen der Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen bis mindestens zum 3. Mai verlängert werden. Deutschland habe einen "zerbrechlichen Zwischenerfolg" erreicht, sagte Merkel. Alle müssten aber verstehen, dass sie so lange mit dem Virus leben müssten, bis es einen Impfstoff gebe. Daher könne nur äußerst vorsichtig und in kleinen Schritten mehr öffentliches Leben zugelassen werden. Es seit weiter entscheidend, dass die Bürger in der Öffentlichkeit einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhielten und sich dort nur mit Angehörigen des eigenen Haushalts oder maximal einer anderen Person aufhielten.
Keine Maskenpflicht - nur Maskengebot
Zum besseren Schutz werde beim Einkaufen und im öffentlichen Nahverkehr das Tragen von sogenannten Alltagsmasken empfohlen, sagte Merkel. Eine generelle Maskenpflicht soll es aber nicht geben. Alltagsmasken dienen nach Angaben des Gesundheitsministeriums dazu, andere vor einer Infektion zu schützen. Spezialmasken, die auch den Träger selbst schützen, sollten dem medizinischen Personal vorbehalten bleiben.
Keine Großveranstaltungen bis 31. August
Großveranstaltungen sind bis zum 31. August grundsätzlich untersagt. Betroffen sind auch Fußballspiele, größere Konzerte, Schützenfeste und Kirmes-Veranstaltungen. Konkrete Regelungen etwa zur Größe der Veranstaltungen sollen allerdings die Länder selbst treffen. Ob und ab wann in der Fußball-Bundesliga wieder ein Spielbetrieb ohne Publikum möglich sein wird, muss nach Worten von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch diskutiert werden. "Bundesliga war heute kein Thema", sagte Söder. Die Liga selber überlege ja und arbeite an Sicherheitskonzepten. "Das wird sicherlich dann demnächst ein Thema sein, darüber zu reden, ob, in welcher Form Geisterspiele möglich sind." Das werde man dann noch diskutieren.
Reisen sollen unterbleiben
Im Kampf gegen das Coronavirus sollen die Bürger auch weiter auf private Reisen und Besuche auch von Verwandten verzichten - sowie auf überregionale tagestouristische Ausflüge. Ziel sei es, eine weiträumige Ausbreitung des Virus möglichst zu verhindern, heißt es. Die weltweite Reisewarnung werde aufrechterhalten. Übernachtungsangebote im Inland sollten weiterhin nur für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Kirchen bleiben geschlossen
Das verhängte Versammlungsverbot in Gotteshäusern bleibt bis auf Weiteres in Kraft. Auch in Kirchen, Moscheen, Synagogen oder Örtlichkeiten anderer Glaubensgemeinschaften sollen damit vorerst keine religiösen Feierlichkeiten und Veranstaltungen stattfinden. "Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich bewusst, dass die Religionsausübung ein besonders hohes Gut darstellt und gerade vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten, die diese Epidemie und ihre Folgen für viele Menschen auslöst, gelebter Glaube Kraft und Zuversicht spendet", heißt es in der Vereinbarung. Es sei nach dem, was man über das Virus wisse, aber "dringend geboten", sich auf die Vermittlung religiöser Inhalte "auf medialem Weg" zu beschränken. "Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen sowie religiöse Feierlichkeiten und Veranstaltungen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften sollen zunächst weiter nicht stattfinden."
App soll bei Bekämpfung helfen
"Es muss unser Ziel sein, jede Infektionskette verfolgen zu können." Dann gelinge es auch, Infektionsherde einzugrenzen. Eine von der Bundesregierung geplante Smartphone-App soll helfen, mögliche Kontakte mit Infizierten nachzuverfolgen. Deren Nutzung soll freiwillig sein. Vor allem seien aber die Gesundheitsbehörden gefordert, sagte Merkel. Die Frage sei von "ganz, ganz entscheidender Bedeutung". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: "Das Drama in Italien war ja, das Infektionsketten nicht mehr verfolgbar waren und damit eine völlig unkontrollierte Ausbreitung erfolgte." Im zwischen Bund und Ländern vereinbarten Papier heißt es dazu: "Um zukünftig Infektionsketten schnell zu erkennen, zielgerichtete Testungen durchzuführen, eine vollständige Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten und die Betroffenen professionell zu betreuen, werden in den öffentlichen Gesundheitsdiensten vor Ort erhebliche zusätzliche Personalkapazitäten geschaffen, mindestens ein Team von 5 Personen pro 20 000 Einwohner."