25. Juni 2024 – Mira Oetinger
Es ist soweit, die deutsche Nationalmannschaft hat ihr letztes EM-Spiel bei der EURO 2024 gespielt und scheidet aus dem Turnier aus. Das bedeutet aber nicht nur das Ende der deutschen EM-Träume, sondern auch den Abschied eines der besten Fußballspieler des Landes. Toni Kroos beendet seine Karriere.
Mit dem Ende der Europameisterschaft für die deutsche Nationalmannschaft geht auch die Ära eines der erfolgreichsten Fußballspieler Deutschlands zu Ende. Toni Kroos hört auf. Bei seinem letzten Verein Real Madrid hat er sein letztes Spiel bereits hinter sich - und nun auch den Dienst in der deutschen Elf beendet. Es war sein letztes Spiel, das letzte Mal grandioser Fußball von Toni Kroos. Der 34-Jährige blickt auf eine lange Karriere zurück, die ihm viel abverlangt hat. Jetzt hat der Familienvater Zeit - vor allem für seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder. Dass seine Familie das Wichtigste für ihn ist, hat er oft zum Ausdruck gebracht. Sie steht für ihn ganz oben. Sie ist, neben seiner sportlichen Leistung natürlich, der Grund für seine Qualität auf dem Platz, wie er selbst gesagt hat. Weil sie ihm den größten Halt geben und er weiß, dass unabhängig davon wie das Spiel von dem er nach Hause kommt ausgeht, sie immer da ist und ihm Sicherheit gibt. Wenn er Zuhause ist, ist das Spiel zuvor vergessen - dort wird ein Schalter umgelegt. Familie an und Fußball aus. Von jetzt an, ist der Fußballschalter umgelegt und bleibt auf aus gestellt. Er kommt nicht mehr zurück.
Die Anfänge
Toni Kroos ist bewusst, dass er ein riesen Glückspilz ist, dass es nicht selbstverständlich ist, sein Hobby zum Beruf machen zu können. Ihm ist es gelungen - klar war das aber schon von Beginn an. Los ging es für den Mittelfeldspieler in Greifswald, trainiert von seinem eigenen Vater Roland Kroos. Dort ging er mit fünf Jahren zum ersten Mal zum Training, immer unter dem wachsamen Auge seines Vaters. Gewachsen sind sie als Team, er und sein Bruder als Spieler auf dem Platz, sein Vater vom Spielfeldrand in der Trainerrolle. Der FC Hansa Rostock wurde zum neuen Zuhause für die Kroos Familie - die Konstellation blieb die Selbe. Rückblickend war das vielleicht ein bisschen viel. Ein bisschen viel Fußball, ein bisschen viel Trainer-Spieler-Verhältnis. Heute sagt Toni Kroos, dass in diesen Jahren die Vater-Sohn-Beziehung vielleicht etwas zu kurz gekommen ist.
Wechsel zum FC Bayern
Das änderte sich als 2006 das Telefon klingelte und Uli Hoeneß auf der anderen Seite der Leitung war. Der FC Bayern war aufmerksam auf Toni geworden. Eigentlich waren die Bayern noch eine Nummer zu groß, aber wer sagt schon dem FC Bayern ab? Mit gerade mal 16 Jahren zog Toni Kroos aus der Stadt im tiefsten Norddeutschland an das andere Ende des Landes in die bayrische Landeshauptstadt München. Damals war es noch ein Experiment einen so jungen Spieler aus der Heimat zu reißen, um bei den großen Vereinen Karriere zu machen. Heute ist das anders. Aber so oder so, derart früh von Zuhause weg zu seinen, führt dazu, dass man schneller erwachsen wird. So wars zumindest bei Toni Kroos. Auf dem Spielfeld wusste er, was er kann und was ihn auszeichnet. Er hatte "Talent am Ball", wie Uli Hoeneß sagt. Trotzdem spielt man kaum. Sein ruhiger Charakter und das Vertrauen, dass er in sich selbst hat, halfen ihm aber dabei, dem Druck bei den Bayern standzuhalten. Für ihn war klar, die fehlenden Einsätze liegen nicht an ihm und seiner Leistung, sondern daran, dass der Trainer falsch liegt.
Ausflug zu Bayer Leverkusen
Mit Bayern hatte es irgendwie nicht gepasst. Aus diesem Grund setzte sich sein Vater dafür ein, dass er während der Saison 2008/2009 zu Bayer Leverkusen ausgeliehen wurde. Und da lief es dann auf einmal. Er bekam seine Einsätze unter dem Trainer Jupp Heynckes, wurde von ihm gesehen und gefördert und fand in der Mannschaft den Zusammenhalt, den er so bei Bayern zuvor nicht in dieser Form bekommen hatte. Die Zeit bei Bayer ging dann nach 1,5 Jahren zu Ende, obwohl ihn der Verein gerne behalten hätte. Trotzdem kehrte Kroos zum FC Bayern zurück und verlängerte unmittelbar nach seinem Wiedereinstieg in der Mannschaft auch seinen Vertrag. Eine zwiespältige Entscheidung. Direkt nach der Vertragsunterzeichnung hatte er schon das Gefühl, dass niemand so richtig glücklich mit dieser Verlängerung war. Weder der Verein, noch er selbst.
Champions League Finale 2012
2012 stand der FC Bayern im Finale der Champions League. Es sollte das Highlight für die Bayern werden. Sie gingen gegen den FC Chelsea als klarer Favorit vor eigenem Publikum auf den Platz. Die Chancen für Bayern standen gut, so richtig daran gedacht, dass die Bundesligagröße das Ding nicht gewinnen könnte, hat keiner. Alle waren von dem Sieg im eigenen Stadion überzeugt. Danach sah es dann auch lange aus - Müller erzielte das 1:0 gegen die Gäste aus England. Kurz darauf kam der Ausgleich. Den entscheidenden Siegtreffer in der regulären Zeit zu erzielen, gelang keiner der beiden Mannschaften, auch nicht in der Verlängerung. so kam es zum Elfmeter schießen. Das sollte Toni Kroos am Ende auf die Füße fallen.
Er ließ sich nicht aufstellen, er wollte nicht schießen. Jupp Heynckes, der mittlerweile Trainer bei den Bayern war, tat sich schwer überhaupt genügend Spieler zusammen zu bekommen, die er für das Elfmeterschießen stellen konnte. Sogar Manuel Neuer, der sonst für das Halten der Tore verantwortlich war, wurde an den Elfmeterpunkt gebeten. Am Ende hat der FC Chelsea mehr Schüsse verwandeln und wurde zum Sieger der Champions League 2012. Der Grund für die Absage von Toni Kroos war die Unsicherheit darüber, dass er an diesem Tag wirklich treffen würde. Er verließ sich auf sein Gefühl und äußerte dem Trainer gegenüber seine Bedenken. Hier wird eine seiner größten Stärken deutlich. Die Sicherheit über sein eigenes Können, oder eben auch Nicht-Können. Die Sicherheit darüber, dass die eigene Leistung an manchen Tagen nicht ausreicht. Das präzise Einschätzen über eine Situation und sich selbst. Von außen wurde sein Rückzieher anders aufgefasst. Als hätte er nicht den Mut gehabt. Er wurde zum Sündenbock für das Versagen im Champions League Finale. Dieses Spiel war der Anfang für einen Umschwung Betrachtung von Toni Kroos - vor allem von Seiten der Fans. Er wurde mehr uns mehr anhand seiner Fehler beurteilt, nicht mehr an dem, was ihm gelang. In dieser Zeit bekam er einen neuen Spitznamen: Der Querpass-Toni.
Man of the Match:WM 2014
Zwei Jahre nach dem Champions League Debakel wurde Toni Kroos zum "Fifa Man of the Match" im Halbfinale der WM 2014 in Brasilien - gegen Brasilien. In diesem Match spielt die deutsche Nationalmannschaft "Toni Kroos-Fußball" und geht in die Geschichte ein. Das gesamte Turnier geht in die Geschichte ein - Deutschland wird Weltmeister in Brasilien. Nach schweren und durchmischten Jahren in der Bundesliga wird Toni Kroos einer der WM Helden von 2014.
Vier Monate zuvor waren die Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung beim FC Bayern gescheitert. Toni Kroos nahm das Angebot der Bayern nicht an, sie kamen ihm nicht entgegen, der Weg bei Bayern ging für Toni Kroos zu Ende. Ein paar Monate nach der WM schlug er einen neuen Weg ein. Dieser neue Weg hieß Real Madrid und führte ihn damit zu einer der besten Fußballmannschaften der Welt, wenn nicht sogar der Besten.
Wechsel zu Real Madrid
Es gibt wohl kaum ein größeres Kompliment für einen Fußballer, als das Real Madrid seine Fühler nach einem ausstreckt. Der Präsident des spanischen Clubs Florentino Pérez sorgte dafür, dass 2014 die besten Spieler der Welt zusammen in einer Fußballmannschaft versammelt wurden - darunter auch Toni Kross, gemeinsam mit weiteren großen Namen wie Ronaldo, Modric und Bale.
Real Madrid ist ein Verein, wo so ziemlich alles möglich ist. Von Höhenflug zur etablierten Fußballgröße bis hin zum tiefen Fall. Diesem Druck muss man standhalten können, alle schauen auf den Verein und seine Spieler, die Leistung der Mannschaft und des Einzelnen wird permanent einer Bewertung unterzogen. Das funktioniert nicht für jeden, es gibt genug Spieler, die diesem Druck in der Vergangenheit nicht standgehalten haben. Toni Kroos, mit seiner immer gelassenen Art schaffte es - und machte sich damit unverzichtbar. Für ihn ist es eben "einfach Fußball", dass er den Sport beherrscht weiß er, davon ist er überzeugt. Und das strahlt er auch nach außen.
Bei Real Madrid wird er zum Spielemacher - das Tempo geht auf seine Kappe, er bestimmt den Rhythmus des Spiels, behält den Überblick, er ist der, der die gegnerische Mannschaft versteht und das Spiel auf sie anpasst. Sein Spiel funktioniert, seine Pässe kommen an, er ist die Zuverlässigkeit verkörpert in einer Person. Sowohl bei Real als auch in der deutschen Nationalmannschaft. Toni Kroos ist gewachsen - vom Querpasstoni zum Spielemacher, zum Dirigenten des Fußballspiels. Er konnte es immer, hat nur nicht immer die Chance bekommen, das auch zu zeigen.
Der erfolgreichste deutsche Fußballer
Zum Ende seiner Karriere hat Toni Kroos eine umfangreiche Liste an Erfolgen und Titel vorzuweisen - so viele wie kein anderer deutscher Fußballer. Er wurde drei mal Meister mit dem FC Bayern, vier mal mit Real Madrid. Dazu kommen Pokalsiege, Gewinne des Supercups und der Weltmeistertitel von 2014. Er ist einer der wenigen Spieler, die über ihre Laufbahn hinweg sechs mal die Champions League gewonnen haben. 2013 mit dem FC Bayern, 2016, 2017, 2018, 2022 und 2024 mit Real Madrid. Eine Karriere die zwar an der ein oder anderen Stelle holprig verlaufen ist, aber permanent nach oben ging. Am Höhepunkt seines Erfolges hört er auf - so viel besser hätte es ja auch kaum noch werden können. Und auch wenn ein letzter Titel mit der Heim-EM vielleicht noch ein bisschen besser ausgesehen hätte, auf seiner langen Erfolgsliste, ist es umso schöner, dass er extra für die Europameisterschaft 2024 noch einmal Teil der deutschen Mannschaft geworden ist, die er eigentlich schon verlassen hatte. Mit dieser letzten Leistung für die deutsche Mannschaft darf Toni Kroos nun guten Gewissens den Schalter umlegen - Fußball aus und Familie an.
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