30. November 2021 – Stefan Angele
Waren Lockdowns auch in Hamburg rechtens?
Bundesverfassungsgericht gibt Grundsatzurteil über Coronamaßnahmen ab
Foto: nitpicker/Shutterstock
Angesichts der neuen Omikron-Variante und der Wucht der vierten Corona-Welle wird der Ruf nach härteren Gegenmaßnahmen lauter. Am Dienstag (30.11.) um 13.00 Uhr wollen die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder telefonisch über die Krise beraten. Konkrete Vorgaben über ihren Handlungsspielraum erhofft sich die Politik von den ersten grundsätzlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Pandemie, die am Vormittag in Karlsruhe veröffentlicht werden.
30. März 2023 – Sebastian Tegtmeyer
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Bundes-Notbremse auf dem Prüfstand
In den beiden Verfahren geht es um die sogenannte Bundes-Notbremse aus der dritten Pandemie-Welle im Frühjahr. Einmal richten sich die Klagen gegen die damals verhängten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, einmal gegen die Schulschließungen. Die Notbremse im Infektionsschutzgesetz (Paragraf 28b) war zeitlich befristet und Ende Juni außer Kraft getreten. Im frisch überarbeiteten Gesetz der künftigen Ampel-Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP sieht der Paragraf anders aus und enthält nun zum Beispiel die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Um das sich rasant ausbreitende Virus zu stoppen und die Lage auf den Intensivstationen zu entschärfen, gibt es aber aus mehreren Ländern Forderungen nach einer neuen "Bundes-Notbremse".
Forderung nach harten Einschnitten
"Wir sind in Deutschland in die Lage gekommen, die wir immer vermeiden wollten: Unser Gesundheitssystem ist regional überlastet", sagte der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir brauchen jetzt eine Notbremse, dabei zählt nun jeder Tag." Er forderte unter anderem, in Regionen mit besonders kritischem Infektionsgeschehen über Schließungen von Freizeit-Einrichtungen nachzudenken. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans forderte "bundesweit einheitliche, notbremsende Maßnahmen". «Das kann natürlich als Ultima Ratio, als letzter Schritt, auch ein Lockdown sein", sagte der CDU-Politiker beim TV-Sender Bild Live. "Es braucht für Ganz-Hoch-Inzidenzgebiete die Möglichkeit, zuzuschließen." Auch aus den Reihen der Ampel kommen Rufe nach einem stärkeren Herunterfahren des öffentlichen Lebens. "Wir brauchen einen einheitlichen Teil-Lockdown in vielen Regionen des Landes, um die vierte Welle zu brechen", sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen der Deutschen Presse-Agentur.
Das könnten die Verschärfungen bringen
Auf dem Tisch liegen grundsätzlich mehrere denkbare Optionen:
- Sonderlage: Schnell zu bewerkstelligen wäre, dass der Bundestag die erst am 25. November ausgelaufene "epidemische Lage von nationaler Tragweite" doch wieder feststellt - mit einem einfachen Beschluss. Damit gäbe es auf einen Schlag eine Rechtsbasis für alle bisherigen Kriseninstrumente. Dies könnte in der nächsten regulären Sitzungswoche ab dem 6. Dezember oder früher in einer Sondersitzung geschehen. Insbesondere die Union hatte kritisiert, dass die Ampel diese Rechtsgrundlage hatte auslaufen lassen.
- Infektionsschutzgesetz: Die von den Ampel-Fraktionen verkleinerte Maßnahmenliste unabhängig von der epidemischen Lage könnte erweitert werden. Vorerst sind etwa pauschale Schließungen von Gaststätten und Läden oder Inlands-Reisebeschränkungen in einem ganzen Bundesland ausgeschlossen. Nötig wäre dafür ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats.
- Bund-Länder-Rahmen: Rasch weitergehende Vorgaben festzurren könnte eine Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund. Denkbar wären dabei zum Beispiel neue oder niedrigere Schwellen für zusätzliche Auflagen und Beschränkungen bei hohen Infektionszahlen oder Klinikbelastungen.
Entscheidung aus Karlsruhe entscheidend
Vor diesem Hintergrund dürften die Entscheidungen aus Karlsruhe Leitcharakter haben. Gerichtspräsident Stephan Harbarth sagte kürzlich im ZDF, es gehe zwar um "ein bestimmtes Gesetz zu einem bestimmten Zeitpunkt". Aus den ausführlichen Begründungen ergäben sich aber üblicherweise "Hinweise für Folgefragen, die sich stellen werden, etwa für kommende Pandemien oder für Maßnahmen in der gegenwärtigen Pandemie für die kommenden Monate". Die Einführung der Notbremse hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgelöst. Weil die Maßnahmen direkt per Bundesgesetz vorgeschrieben wurden, war der Umweg über die Verwaltungsgerichte nun nicht mehr nötig. Bis zur zweiten Augusthälfte waren beim Verfassungsgericht mehr als 300 Verfassungsbeschwerden und Eilanträge eingegangen. Eilanträge gegen die umstrittensten Maßnahmen wie die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen hatten die Richterinnen und Richter des zuständigen Ersten Senats gleich im Mai abgewiesen. Sie betonten aber, dass der Ausgang des Hauptverfahrens offen sei. Um die Verfahren schneller abschließen zu können, hatte der Senat auf eine Verhandlung verzichtet. Von Experten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen wurden aber Stellungnahmen erbeten, etwa von Virologen, Intensivmedizinern und Kinderärzten.
Update: Karlsruhe bestätigt Notbremse
Der Bund durfte in der dritten Pandemie-Welle im Frühjahr über die sogenannte Corona-Notbremse Wechselunterricht undSchulschließungen anordnen. Das Bundesverfassungsgericht wies Klagen von Schülern und Eltern dagegen ab, erkennt aber erstmals ein "Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung" an, wie das Gericht in Karlsruhe am Dienstagvormittag (30.11.) mitteilte. Die Maßnahmen hätten in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen, seien aber "in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie" mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen, teilte das Gericht mit.
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16. November 2021 – Sebastian Tegtmeyer
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