Die Tradition ist mehr als 300 Jahre alt: Zwei Mal am Tag spielen die Türmer vom Hamburger Michel einen Choral in alle Himmelsrichtungen. Nun übernimmt erstmals eine Frau das Amt.
In Hamburg gibt es ein schönes, altes Sprichwort: "Solange es die Schwäne auf der Alster und den Michel-Türmer gibt, so lange wird es der Stadt gut gehen", erzählt Josef Thöne. Seit 32 Jahren ist der 65-Jährige - mittlerweile Rentner - Türmer am Hamburger Michel. Jetzt gibt es ein besonderes Ereignis in der mehr als 300 Jahre alten Tradition. Zum ersten Mal bekommt der Michel eine Türmerin: Neele Fokken (27) wird sich fortan das Amt mit dem langjährigen Türmer teilen.
27-jährige Ostfriesin wird Türmerin
Vor sieben Jahren kam die gebürtige Ostfriesin nach Hamburg und hat hier Trompete, Kulturmanagement und Grundschullehramt studiert. Mittlerweile unterrichtet die 27-Jährige Trompete und Musik an der Jugendmusikschule und an einer Grundschule. "Ich bin dankbar für das Vertrauen, dass ich diese lange Tradition weiterführen darf. Die Beständigkeit, die dieses kulturelle Erbe ausstrahlt, beeindruckt mich sehr, und es freut mich jedes Mal, wenn ich auf dem Turm den Choral blasen darf", sagte Fokken bei ihrer Vorstellung.
Choralblasen vom Turm ist eine protestantische Tradition
Das Choralblasen vom Turm ist eine protestantische Tradition, die mit der Reformation aufkam. Am Michel gibt es diese Tradition seit mehr als 300 Jahren. Jeden Morgen um 10 Uhr und jeden Abend um 21 Uhr spielt der Türmer oder die Türmerin in 100 Metern Höhe auf dem sogenannten Türmerboden einen Choral in alle vier Himmelsrichtungen – zu Ehren Gottes und zur Freude der Menschen. Das Turmblasen war auch als eine Form der Zeitansage zu verstehen und ein Aufruf zum Innehalten im Alltag. Die Auswahl der Choräle trifft der Türmer passend zum Ablauf des Kirchenjahres, zu besonderen Anlässen wird "Lobe den Herren" geblasen.
Vorbild für andere Frauen und Mädchen
"Ich hoffe, dass ich ein Vorbild sein kann für andere Frauen und Mädchen, sich zu trauen, Trompete zu spielen", sagte die 27-Jährige. Es sei ein besonderes Gefühl, wenn sie das Fenster öffnet und anfängt zu spielen. "Es ist immer schön zu beobachten, wenn Nachbarn zuhören auf ihren Balkonen, aber auch Touristen, die unten vor dem Turm stehen", erzählt Fokken. Denen winke sie auch immer gerne zu und "die freuen sich auch, wenn sie ein Zeichen sehen."
Hauptpastor Alexander Röder freut sich, dass es in der 300-jährigen Tradition nun auch eine Frau im Amt des Turmbläsers gibt. "Frau Fokken macht das auf großartige Art und Weise", sagte Röder. Im Gegensatz zur katholischen Kirche sei es in der evangelischen Kirche aber nichts Besonderes, wenn eine Frau ein kirchliches Amt übernimmt. "In unserer Kirche ist der Anteil der Frauen völlig selbstverständlich mehr als pari pari." Trotzdem kann er hören, wer von den beiden Turmbläsern im Dienst ist. "Das ist deutlich hörbar, da beide anders spielen", erklärte der Hauptpastor.
(Quelle: Carola Große-Wilde, dpa)
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