06. Oktober 2020 – Stefan Angele

Nach Quarantäneregelungen in Schleswig-Holstein

Hamburg plant keine Quarantäne für innerdeutsch Reisende

In Deutschland werden immer mehr Risikogebiete ausgewiesen, sprich Kreise, Städten oder Bezirke, in denen der Inzidenzwert über die kritische Marke von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner in den letzten sieben Tagen klettert. Für ausländische Risikogebiete ist die Regelung hierzu ganz klar. Wer nach Deutschland zurückkehrt muss sich in Quarantäne begeben und kann diese erst wieder mit einem negativen Coronatest beenden. Doch um den Umgang mit den innerdeutschen Risikogebieten droht jetzt neuer Zoff zwischen den Bundesländern. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sind vorgeprescht und wenden die Regeln auch für innerhalb Deutschlands Reisende an. Wer also momentan beispielsweise aus Hamm, Remscheid oder vier Berliner Bezirken nach Schleswig-Holstein reisen will, muss vorerst in Quarantäne. Auch ein Modell für Hamburg? Eher nicht, sagt Gesundheitsbehördensprecher Martin Helfrich.

Keine erhöhten Ansteckungen aus deutschen Risikogebieten

Noch erteilt Helfrich einer Regelung wie in Schleswig-Holstein eine klare Absage. Wer momentan zum Beispiel von Berlin nach Schleswig-Holstein reisen möchte, muss entweder in 14-tägige Quarantäne oder zwei negative Corona-Tests vorweisen. Hamburg hat aktuell keine Ziele innerhalb Deutschlands als Risikogebiet deklariert. Martin Helfrich von der Gesundheitsbehörde erklärt, dass aber auch Hamburg dies bald tun könnte. "Wenn von dort viele Erkrankte zurückkehren", so Helfrich. Wenn man feststelle, dass aus den Risikogebieten viele Menschen nach Hamburg reisen würde, dann würde man die derzeitige Regelung überdenken. Da das aber momentan kein gravierendes Problem sei, bräuchte man auch keine Neuregelung.

Hamburg kann aber immer nachjustieren

"Grundsätzlich sollen sich alle Hamburger im Bundesgebiet frei bewegen können", ergänzt Helfrich. Es besteht dennoch die Möglichkeit, dass einzelne Gebiete als Risikogebiete ausgewiesen werden. Hamburg hätte dann auch die Möglichkeit diese Gebiete mit besonderen Regelungen zu versehen. Es kann also auch in Hamburg bei verändertem Infektionsgeschehen noch eine Änderung der bestehenden Regelung geben.

Viel Kritik an Quarantäne-Regelungen

Mit Unverständnis und Kritik haben derweil Politiker verschiedener Parteien auf die in manchen Bundesländern eingeführten Quarantäne-Vorschriften reagiert. "Reisebeschränkungen im Inland sind das falsche Signal und nicht hilfreich", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow dem "Spiegel". Politiker von CDU und SPD monierten, das Nebeneinander verschiedener Vorschriften schaffe einen verwirrenden Flickenteppich. So weisen zum Beispiel Berlin, Niedersachsen und Bremen aktuell gar keine inländischen Risikogebiete aus. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann forderte mehr Klarheit und Transparenz. "Für Reisen innerhalb Deutschlands brauchen wir eine bundesweit einheitliche Regelung, auf die sich alle Bundesländer einigen", sagte er dem "Spiegel". "Ein Rückfall in Kleinstaaterei sorgt nur für Verunsicherung und gefährdet die Akzeptanz der Corona-Regeln."

Verwirrender Corona-Flickenteppich

Wirklich zu verstehen sind die Quarantäne-Regelungen in den einzelnen Ländern für Laien kaum noch. Mecklenburg-Vorpommern weist zwar Hamm, Remscheid und Vechta, nicht aber die vier Hauptstadtbezirke als Risikogebiet aus, weil Berlin - wie auch von Brandenburg - bei der Risikobewertung als Ganzes betrachtet wird. Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und das Saarland richten sich bei der Ausweisung von inländischen Risikogebieten nach dem RKI. In diesen Bundesländern wird jedoch derzeit keine Quarantäne für Reisende aus inländischen Risikogebieten angeordnet. Es gelten aber Übernachtungsverbote für Hotel- und Pensionsgäste.

Regeln kaum umsetzbar

"Wer soll das Ganze denn wirksam kontrollieren, wenn beispielsweise ein Stadtteil in einer deutschen Großstadt Risikogebiet ist, der Nachbarstadtteil aber nicht? Ich halte daher von dieser Regelung nichts", so der Hamburger CDU-Landesvorsitzende Christoph Ploß dem "Spiegel". Auch der Chef der oppositionellen SPD-Fraktion im Kieler Landtag, Ralf Stegner, wandte sich gegen "Alleingängen einzelner Länder". Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann versicherte, dass in ihrem Land derzeit nicht an ein Übernachtungsverbot für Menschen aus innerdeutschen Risikogebieten gedacht werde. Solche Regelungen seien auch "praktisch nicht umsetz- oder gar kontrollierbar", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Reimann riet aber dazu, in den Herbstferien lieber nicht zu verreisen und die freie Zeit möglichst zu Hause zu verbringen.

Hamburger Gesundheitsämter bereits jetzt gut ausgelastet

Die Corona-Pandemie beschert den Hamburger Gesundheitsämtern auch ohne innerdeutsche Risikogebiete zurzeit wieder viel Arbeit. Je bestätigtem Neuinfizierten werden nach Angaben der Sozial- und Gesundheitsbehörde im Schnitt 15 enge Kontaktpersonen ermittelt. "Damit lässt sich auch das Ausmaß ermessen, welches rund 100 Neuinfektionen an einem einzigen Tag für den öffentlichen Gesundheitsdienst haben", erklärte Behördensprecher Martin Helfrich. Das Robert Koch-Institut unterscheidet dabei verschiedene Kategorien von Kontaktpersonen. Demnach liegt ein höheres Infektionsrisiko etwa vor, wenn ein Mensch mindestens 15 Minuten persönlichen Kontakt zu einem Infizierten hatte. Dazu zählen beispielsweise Menschen aus demselben Haushalt. Enge Kontaktpersonen der Kategorie 1 müssen sich nach Angaben des Senats für zwei Wochen in Quarantäne begeben.

Hamburger Gesundheitsamt schickt Tausende Hamburger in Quarantäne

In den vergangenen sieben Tagen waren bis Montag 589 neue Fälle in Hamburg gemeldet worden. Das bedeutet, dass etwa 8.800 weitere Menschen unter Quarantäne gestellt wurden. In den sieben Tagen davor hatten die Hamburger Gesundheitsämter 520 Neuinfektionen gemeldet, woraus sich rund 7.800 Kontaktpersonen ergeben. Derzeit sind bei den Ämtern rechnerisch 240 Vollzeitmitarbeiter mit der Kontaktnachverfolgung beschäftigt, wie aus einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion hervorgeht.

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