Klimaneutralen Luftverkehr wird es noch für Jahrzehnte nicht geben. Deutlich schneller könnte es zumindest am Boden beim Betrieb der Flughäfen gehen. Hamburg prescht nun vor und erklärt sich bereits heute für CO2-neutral - erntet dafür aber Kritik.
Der Hamburger Flughafen soll bis 2035 zumindest am Boden komplett ohne Emissionen des Treibhausgases CO2 auskommen - zehn Jahre vor der vom Branchenverband ADV für die deutschen Verkehrsflughäfen ausgegebenen Zielmarke 2045. Das kündigte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann an. Als CO2-neutral hat sich der fünftgrößte Airport der Republik indes schon jetzt proklamiert und dazu ein nach Kriterien des internationalen Airport-Lobbyverbandes ACI ausgestelltes Zertifikat präsentiert. "Hamburg Airport ist der erste große Verkehrsflughafen in Deutschland, der CO2-neutral wirtschaftet", hieß es.
Kritik aus der Umweltlobby
Heftige Kritik erntete der Flughafen damit aus der Umweltlobby. "Mogelpackung" und "Showveranstaltung", hieß es bei Verbänden und Initiativen. Der Hauptvorwurf: Die CO2-Bilanz blende die riesigen Treibhauseffekte aus, für die der eigentliche Flugverkehr noch für Jahrzehnte in der Luft verantwortlich ist. "Es darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, dass Fliegen kein Problem mehr sei, nur weil der Flughafen selbst klimaneutral operiert", sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert.
CO2-Emissionen um knapp 80 Prozent reduziert
Die Flughafengesellschaft betont, dass die eigenen CO2-Emissionen in den vergangenen Jahren deutlich vermindert wurden, aber noch längst nicht bei Null angekommen sind. "Seit dem Jahr 2009 hat Hamburg Airport seine jährlichen CO2-Emissionen um knapp 80 Prozent - von 40.000 Tonnen auf 8.700 Tonnen - reduziert." Dieser Ausstoß wird an anderer Stelle kompensiert: Indem Ausgleichszertifikate gekauft werden, mit denen Klimaschutzprojekte finanziert werden - und indem der Airport auf seinem Waldgelände im rund 30 Kilometer entfernten Kaltenkirchen in Schleswig-Holstein "aktuell zusätzlich über 50 Hektar Neuwald" anpflanze.
Weil der Airport selbst nur für einen Bruchteil der CO2-Emissionen des Fliegens stehe, sei das aber nicht ausreichend, argumentiert der Umweltverband Bund. "Wollte man die tatsächliche Klimalast des Flughafens kompensieren, müssten über 200 Millionen Bäume gepflanzt werden." Bäume binden beim Wachstum CO2 aus der Atmosphäre und leisten so einen Beitrag zum Klimaschutz.
Fragwürdiges Zertifikat
Fluglärmschutz-Initiativen und -Vereine aus Hamburg und Schleswig-Holstein sprachen ebenfalls von einem "fragwürdigen Zertifikat für eine angebliche CO2-Neutralität des Hamburg Airports". Nach der aktuellen Hamburger Energie- und CO2-Bilanz für 2020 sei der Hamburger Flughafen insgesamt verantwortlich für 463.000 Tonnen CO2- Emissionen. Dies entspricht einer Klimalast von 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Die Differenz der Zahlen rührt daher, dass die Klimaeffekte von mehr Faktoren abhängig sind, als nur dem CO2-Ausstoß.
"Vor der Coronavirus-Pandemie war der Hamburger Flughafen sogar für 2,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr verantwortlich", so die Initiativen. Der Nabu betonte deshalb, "dass Fliegen nach wie vor die klimaschädlichste Form des Reisens darstellt und auf Grund technischer Möglichkeiten und wenig ambitionierter Regulierung auch langfristig bleiben wird".
"Vorbildcharakter" am Boden
Dem Hamburger Flughafen attestiert der Nabu-Vorsitzende Siegert zumindest am Boden durchaus "Vorbildcharakter", weil beispielsweise Flugzeuge dort ihre Turbinen ausstellten und am Boden mit grünem Strom versorgt würden. Als Bausteine zum CO2-neutralen Flughafenbetrieb nennt die Flughafengesellschaft: "Weniger Energieverbrauch, innovative Technologien, Naturschutzprojekte und hochwertige Ausgleichszertifikate."
Beispielsweise decke der Airport rund 70 Prozent seines Wärmeenergiebedarfs mit einem flughafeneigenen Blockheizkraftwerk ab. "Dieses ist hocheffizient und wird mit Erdgas betrieben. Der zugekaufte Grünstrom wird zudem zu 100 Prozent nachweislich CO2-neutral hergestellt." Zudem sei die Fahrzeugflotte auf dem Vorfeld nahezu vollständig auf alternative Antriebe und Kraftstoffe umgestellt worden. "Am Hamburger Flughafen fahren Flugzeugtreppen mit Solarkraft, Schlepper mit Erdgas (und zukünftig mit Wasserstoff) und E-Autos", hieß es. "Seit über fünf Jahren arbeitet der Flughafen ohne fossilen Diesel. Als erster internationaler Verkehrsflughafen stellte Hamburg Airport bereits Ende 2016 alle dieselbetriebenen Fahrzeuge auf einen synthetischen, emissionsarmen Kraftstoff um."
(Quelle: Thomas Kaufner, dpa)
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30. März 2023 – Sebastian Tegtmeyer
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