Neue Pläne für Bebauung

Lösung für "Esso-Häuser" gefunden

Im Dezember 2013 mussten alle Bewohner über Nacht die «Esso-Häuser» auf St. Pauli wegen Einsturzgefahr verlassen. Nach jahrelangem Stillstand gibt es nun neue Pläne für eine Bebauung.

Paloma Viertel, Esso-Häuser
Thomas Krebs (l), Vorstandssprecher der Saga Unternehmensgruppe, und Frank Gerhard Schmidt, Vorstandsmitglied von Quantum Immobilien, präsentieren das neue Entwicklungskonzept für das Paloma-Viertel. I Foto: Picture Alliance

Für das Paloma-Viertel und die Brachfläche am Spielbudenplatz in Hamburg St. Pauli ist nach jahrelangem Stillstand eine Lösung gefunden worden. Nun wollen bis Ende des Jahres die städtische Wohnungsgesellschaft Saga und der Immobilienentwickler Quantum das Areal unweit der Reeperbahn übernehmen, wie die Unternehmen mitteilten. Die bisherige Eigentümerin, die Bayerische Hausbau, hat wegen der Immobilienkrise, wie sie selbst sagt, über Jahre nicht mit dem Bauen angefangen. Dabei gibt es schon lange einen städtebaulichen Vertrag und einen gültigen Bebauungsplan.

Die Pläne der neuen Eigentümer weichen jedoch deutlich von den Ideen ab, die in einem viel beachteten Beteiligungsmodell von Interessenvertretern und der Nachbarschaft entwickelt worden waren.

164 öffentlich geförderte Wohnungen, Kita & Flächen für eine nachbarschaftliche Nutzung

"Wir freuen uns sehr, dass wir eine Lösung gefunden haben", sagte Saga-Vorstandssprecher Thomas Krebs. Geplant seien nun 164 öffentlich geförderte Wohnungen, eine Kita sowie Flächen für eine nachbarschaftliche Nutzung. Quantum-Vorstandsmitglied Frank Gerhard Schmidt - sein Unternehmen ist für den gewerblichen Teil der Bebauung zuständig - sagte, es werde unter anderem ein Hotel mit rund 350 Zimmern und ein Haus der Kreativwirtschaft entstehen, das auf sieben Etagen für kreative Nutzungen vorgesehen sei und im Erd- und Untergeschoss Platz für einen Livemusik-Club haben soll. Das Investitionsvolumen bezifferte er auf rund 200 Millionen Euro. 

Im ersten Halbjahr 2028 sollen die neuen "Esso-Häuser" fertig sein

Der Baubeginn sei Anfang 2026 geplant, sagte Schmidt. Abgeschlossen sein soll das Projekt dann im ersten Halbjahr 2028. Ursprünglich sollten die neuen "Esso-Häuser" bereits 2020/21 fertiggestellt sein. Der Chef der Bayerischen Hausbau Development, Gordon Gorski, sagte, sein Unternehmen habe mit viel Herzblut versucht, das Projekt auf die Beine zu stellen. Doch aufgrund der Immobilienkrise sei man "als klassischer Projektentwickler zu der Erkenntnis gekommen, dass es Partner gibt, die das Thema im Sinne der Stadt in der Zukunft gut voranbringen können". Gorski sagte, sein Unternehmen habe bei dem Projekt einen kleinen Verlust gemacht. Über den Kaufpreis des Areals schwiegen sich alle aus.

Die Bayerische Hausbau hatte die nach der berühmten Kiez-Tankstelle benannten "Esso-Häuser" im Jahr 2009 gekauft. Bereits 2011 wurde in drei Gutachten festgestellt, dass die Gebäude wirtschaftlich nicht zu retten seien. Im Dezember 2013 mussten dann alle Bewohnerinnen und Bewohner über Nacht ihre Wohnungen wegen Einsturzgefahr verlassen. Dabei erhielten sie aber ein Rückkehrversprechen, an das sich die Saga nach eigenen Angaben auch elf Jahre danach noch gebunden fühlt. "Der Verantwortung kommen wir sehr gerne nach", sagte Krebs. 

2.300 Menschen beteiligten sich an der Planbude und am "St. Pauli-Code"

2014 wurde der Gebäudekomplex samt Tankstelle abgerissen - und es begann ein Planungsprozess, wie ihn St. Pauli noch nie gesehen hatte. Im Auftrag des Bezirks Mitte wurde die sogenannte Planbude gegründet, um die Anliegen der Anwohner der geplanten Esso-Häuser an der Reeperbahn zu vertreten. Nach deren Angaben beteiligten sich rund 2.300 Menschen an dem Entwurf, entwickelten den "St. Pauli-Code". 

Das Ergebnis: Es sollten auf dem Gelände rund 200 Wohnungen entstehen, davon mehr als 60 Prozent öffentlich geförderte Mietwohnungen und Baugemeinschaften, Gewerbe, Einzelhandel und Kiez-Clubs wie das Molotow. Zudem sollten - und das galt als eine ganz besondere Neuheit - unter anderem die Dächer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und etwa zum Verweilen, Basketball spielen oder Gärtnern genutzt werden. 

Planbude warf im Oktober entnervt hin

Davon ist nun nicht mehr viel übrig, weshalb die Planbude bereits im Oktober aus dem Verfahren entnervt ausgestiegen ist. "Diesen Weg vom Pionier-Modell einer kooperativen Stadtentwicklung zum gewöhnlichen Spekulationsobjekt werden wir nicht mitgehen. Wir sind raus", erklärte die Planbude damals.

Der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Ralf Neubauer, sagte zwar, dass so viele Ideen wie möglich übernommen worden seien. Saga-Chef Krebs räumte aber auch ein, dass nun keine öffentlichen Flächen mehr vorgesehen seien. Für die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann, stellt sich daher die Frage: "Durchbruch oder kompletter Einbruch in Sachen Beteiligung?" Vor allem die Vereinbarungen zugunsten des Stadtteils scheinen aus ihrer Sicht auf der Strecke zu bleiben.

Senatorin verweist auf die günstigen Mieten in den neuen "Esso-Häusern"

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) verwies nach eineinhalbjährigen Verhandlungen auf die geplanten, günstigen Mietpreise. Trotz Baukosten von 4.500 Euro pro Quadratmeter und eigentlich daraus resultierenden Mieten von 18 Euro pro Quadratmeter würden je nach Förderweg und Einkommen der Mieterinnen und Mieter 7,10 Euro, 9,20 Euro oder 12,10 Euro pro Quadratmeter aufgerufen. "Das ist eine sehr gute Nachricht für St. Pauli", sagte Pein. Die Wohnungen werden den Angaben zufolge im Schnitt zwischen 60 und 65 Quadratmeter groß sein.

Von einer "wirklich sozialen Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit" sprach Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). So unterstütze die Stadt zudem die Kreativwirtschaft mit mehr als sechs Millionen Euro, "damit da ein Musikclub einziehen kann (...) und auch andere Kreativnutzungen einziehen können, die wir alle auch für St. Pauli, hier für den Kiez auch wünschen". 1,8 Millionen Euro habe die Bürgerschaft schon bereitgestellt, weitere rund fünf Millionen Euro sollen nun folgen, denn: "Hamburg kann es sich nicht leisten, in so einer exponierten Lage unendlich auf eine Brache zu schauen."

(Quelle: Markus Klemm, dpa)

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