29. Dezember 2020 – Stefan Angele

Impfung = Freiheit?

Sollten Corona-Geimpfte Sonderrechte bekommen?

Coronaimpfung durch Arzt
Foto: Shutterstock

Kaum haben in Hamburg und dem Rest Deutschland die ersten Impfungen gegen das Coronavirus begonnen, entbrennt unter Politikern, Gesundheitsexperten, Ethikern und Wirtschaftsvertretern bereits der Streit darüber, ob Geimpfte in Deutschland Sonderrechte bekommen sollten oder ob man Impfverweigerer in besonderer Weise dokumentieren sollte.

Diskussion wird sich noch verschärfen

Noch ist es eine theoretische Diskussion: Bis Jahresende werden nur die allerwenigsten geimpft werden, sehr alte Menschen und Pflegepersonal. Aber was, wenn mehr Impfstoff kommt. Dürfen Ungeimpfte dann von bestimmten Angeboten ausgeschlossen werden? Spanien beispielsweise prescht vor und will ein Register von Ungeimpften einführen. Das kündigte Gesundheitsminister Salvador Illa im einem Interview mit dem Fernsehsender La Sexta am Montag (28.12.) an. Jeder Bürger werde entsprechend des Impfplanes eine Einladung zu einem Impftermin erhalten. Die Impfung sei zwar freiwillig, aber wer der Einladung nicht folge, werde registriert. Das Register sei nicht öffentlich und der Datenschutz werde rigoros sein, aber die Daten würden "europäischen Partnern" zur Verfügung gestellt, betonte der Minister. Sind solche Konzepte auch für Deutschland geplant oder überhaupt vorstellbar?

Rechtliche Klarstellung dringend notwendig

Genau diese Frage will auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz beantwortet wissen. In der Debatte über mögliche Nachteile für Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen, hat der Vorstand jetzt rechtliche Klarstellungen für die Pflege gefordert. Pflegebedürftige, die nicht geimpft sind, dürften nicht benachteiligt werden, sagte Eugen Brysch. Die Bundesregierung müsse für eine gesetzliche Klarstellung sorgen. "Denn sonst können Pflegeanbieter auf ihre Vertragsfreiheit pochen. Mit der Freiwilligkeit bei der Impfung wäre es dann vorbei." Nach Angaben von Brysch könnten Pflegeanbieter etwa die ambulante und stationäre Pflege ablehnen. Der Gesetzgeber sei aufgerufen, Diskriminierung zu verhindern.

Impflicht durch die Hintertür?

Eine Impfpflicht gibt es zwar nicht, das betonen sämtliche Politiker auch immer wieder. Allerdings werden immer wieder Befürchtungen über eine mögliche "Impfpflicht durch die Hintertür" geäußert. Als theoretische Beispiele in der Diskussion werden Restaurants oder Veranstalter genannt, die ungeimpfte Gäste nicht einlassen könnten. Schon vor Wochen hatte die australische Fluggesellschaft Quantas angekündigt, auf bestimmten Strecken Reisende nur an Bord zu lassen, wenn sie geimpft sind. Auch Lufthansa-Chef Spohr brachte einen Impfnachweis oder einem negativen Coronatest auf Langstreckenflügen bereits ins Spiel.

Gaststättenverband will vorerst nichts von solchen Ideen wissen

Aus Sicht des Gastro-Branchenverbands Dehoga ist jetzt aber nicht die Zeit für solche Gedankenspiele. "Für diese Diskussion ist es aus unserer Sicht viel zu früh", sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. "Solange nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, brauchen wir nicht über Zugangsbeschränkungen zu sprechen." Zunächst hätten alle ein großes Interesse daran, das geimpft werden könne, wer das wolle - das betreffe auch die Mitarbeiter und Unternehmer in der Gastronomie. Grundsätzlich müsse die Branche einen diskriminierungsfreien Zugang gewährleisten, erklärte Hartges. "Denn wenn ich als junger Mensch zu den letzten gehöre, die sich impfen lassen können, und vorher nicht ins Restaurant oder ins Hotel darf, könnte dies den Tatbestand der Diskriminierung erfüllen." Auch sonst gebe es viele offene rechtliche Fragen - etwa, ob Wirte sich überhaupt einen Impfausweis vorzeigen lassen dürften. "Die Politik ist gefordert, hier für Klarheit zu sorgen", forderte sie.

Schnelltests als Dauerlösung?

Einzelne Hotels und vor allem auch Diskotheken sähen eine Chance darin, dass Gäste einen Schnelltest machten, sagte Hartges. "Natürlich ziehen wir das in Erwägung als eine Branche, die von der Pandemie besonders hart getroffen ist." Aber erst mal müssten dafür ausreichend Tests zur Verfügung stehen. Dann gelte es, weitere Fragen zu klären - etwa, wer die Tests durchführen dürfe und wer die Kosten trage. Aus Sicht des Präsidenten des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, wäre eine Corona-Impfung als Voraussetzung für den Einlass gar nicht rechtens. Eine Diskriminierung von nicht geimpften Personen wäre "aus juristischer Sicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes", sagte der Jurist. "Daher wäre es aus meiner Sicht auch dem Staat verwehrt, ein Gesetz zu erlassen, welches eine bevorzugte Behandlung von geimpften Personen regelt." Auch um einen Corona-Test zur Bedingung etwa für den Konzertbesuch zu machen, müsse erst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Außerdem gebe es "datenschutzrechtliche Hürden", sagte Michow.

Politiker auf breiter Front gegen Impf-Privilegien

Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Klaus Müller, sagte der "Rheinischen Post": "Wenn die Vertragsfreiheit für Restaurants, Fitnessstudios, die Bahn oder Pflegeheime nicht mit dem von den Ministern Spahn und Seehofer zu Recht geforderten Diskriminierungsschutz in Konflikt geraten soll, brauchen wir eine breite Diskussion, um alle Auswirkungen auf Verbraucher und Unternehmen zu erörtern. Das Justizministerium sollte dazu gleich Anfang des Jahres dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen." Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundesinnenminister Horst Seehofer hatten bereits vor Sonderrechten für frühzeitig Geimpfte gewarnt. Rechtspolitiker der Koalition wollen da durchaus auch etwas tun. Der rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, Volker Ullrich, sagte der "Welt", für staatliche Einrichtungen, auch etwa den Nahverkehr, verbiete es sich, nach Geimpften und Nicht-Geimpften zu unterscheiden. "Im privaten Bereich gibt es hingegen eine Regelungslücke, die wir adressieren müssen."

Es gäbe aber eine wichtige Ausnahme

Der rechtspolitische SPD-Fraktionssprecher Johannes Fechner sagte der Zeitung: "Die SPD-Fraktion prüft derzeit gesetzliche Maßnahmen, wie Ungleichbehandlungen von Nicht-Geimpften und Geimpften durch die Privatwirtschaft ausgeschlossen werden könnten." Allerdings machte er einen einschränkenden Zusatz: Wenn die für Februar von Biontech angekündigten Erkenntnisse zeigten, dass Geimpfte ansteckend seien, dann wäre eine Ungleichbehandlung epidemiologisch nicht zu rechtfertigen. Bisher ist zumindest denkbar, dass ein Geimpfter bei Kontakt mit dem Erreger zwar selbst nicht erkrankt, das Virus aber an andere weitergeben kann, wie das Robert-Koch-Institut erklärt. Wenn die laufende Forschung aber das Gegenteil ergibt, sieht die FDP die Frage von Geimpften-Privilegien anders: "Steht aber fest, dass von einem Menschen weder für sich noch für andere eine Gefahr ausgeht, dann darf der Staat seine Freiheit nicht einschränken", sagte Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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