29. Januar 2021 – Sebastian Tegtmeyer

"Eine unglaubliche Erfahrung"

Vendée Globe: Solo-Segler Herrmann im Endklassement Fünfter

Boris Herrmann wird bei der Vendée Globe Fünfter. Eine Kollision mit einem Trawler macht seine Siegchancen zunichte. Dennoch ist Herrmann ein Gewinner.

Mit einem dicken rot-weißen Wollpullover, einer Teamweste und -Basecap berichtete Boris Herrmann bei der Online-Pressekonferenz in fließendem Französisch gut gelaunt über sein Abenteuer Vendée Globe. Der verpasste Podiumsplatz bei der Weltumsegelung wegen der Kollision mit einem Fischtrawler am Abend zuvor schien ihm am Donnerstag nichts mehr auszumachen. Immerhin war der Hamburger in Les Sables-d'Olonne auf den fünften Platz gesegelt.

"Die Einsamkeit war das mit Abstand Schwierigste"

Nur bei der Frage, was das größte Problem in den 80 Tagen auf den Weltmeeren gewesen sei, wurde er ernst. "Die Einsamkeit war das mit Abstand Schwierigste", meinte der 39-Jährige. "Ich bin nicht fürs Alleinsein gemacht. Ich bin kein Einzelgänger. Ich habe gern Menschen um mich." Es sei "eine menschliche Erfahrung gewesen, aber nicht immer eine einfache".

In 80 Tagen um die Welt

Wenige Stunden zuvor war Herrmann im Hafen des französischen Küstenorts von seiner stark beschädigten Jacht "Seaexplorer - Yacht Club de Monaco" gegangen. Endlich konnte er seine Frau Birte Lorenzen-Herrmann, seine sieben Monate alte Tochter Malou und Familienhund Lilli erleichtert und erschöpft in die Arme schließen. Spätestens in diesem Moment hatte der gebürtige Oldenburger die Strapazen und den Schock über den Zusammenstoß kurz vor dem Ziel nach über 28.000 Seemeilen vergessen. "Man muss 80 Tage auf die Zielankunft warten und darauf, dass all diese schönen Emotionen eintreten", sagte Herrmann. "Es ist keine Vergnügungsreise, es ist ein seltsames Verhältnis zwischen Zeit und Belohnung."

Ziel als Fünfter erreicht

Am Vormittag hatte er als Fünfter die Ziellinie überquert, feierte mit zwei Bengalos in den Händen und wurde von Freunden und Teammitgliedern auf Beibooten empfangen. "Es war ein wunderbares Gefühl da draußen auf dem Wasser, als die Boote immer dichter kamen und ich ein Gesicht nach dem anderen erkannte", berichtete er. Wegen einer Zeitgutschrift von sechs Stunden war Herrmann im vorläufigen Klassement der härtesten Regatta der Welt zunächst auf dem vierten Rang geführt. Allerdings schob sich am Abend der 61-jährige Jean Le Cam dank dessen Zeitgutschrift von 16:15 Stunden noch vor ihn. Le Cam war als Achter im Zielort angekommen.

Unglaubliche Erfahrung

Doch das spielte für Herrmann an Land keine Rolle. Auch nicht, dass die Hoffnungen auf einen Sieg durch die unheilvolle Begegnung mit dem spanischen Schiff "Hermanos Busto" etwa 90 Seemeilen vor dem Ziel zerschellten. "Ich bin wirklich glücklich über das Ergebnis, auch angesichts der Umstände. Es war eine unglaubliche Erfahrung, eine Teamleistung, eine große Reise über viele Jahre, die heute zu Ende gegangen ist", sagte er. "Der kleine Schluckauf vom Mittwoch, der ist schon fast vergessen." Das Rennen habe ihn mit Sicherheit verändert, sagte Herrmann. "Ich weiß noch nicht, auf welche Weise, aber es hat mich viel über Vertrauen gelehrt, Vertrauen in die Menschen und das Boot, Vertrauen in die Zeit - dass gute Dinge mit der Zeit kommen."

Greta Thunberg gratuliert auf Twitter

"Herzlichen Glückwunsch mein toller Freund, Boris Herrmann, unter den Top 5 das härteste Rennen der Welt zu beenden! Solo nonstop um die ganze Welt. Wir könnten nicht stolzer auf dich sein! Willkommen zuhause!", gratulierte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg via Twitter. "Ein wahrer Held." Der engagierte Umweltschützer hatte die 18-jährige Thunberg im Spätsommer 2019 auf einer Jacht über den Atlantik nach New York gesegelt.

Erster Deutscher bei der Vendée Globe

Als erster deutscher Segler hatte Herrmann am 8. November das Abenteuer Vendée Globe gewagt und sorgte gleich für Furore - bis zum Mittwochabend. "Das war der schlimmste Alptraum", hatte er einige Stunden nach dem Unfall gesagt. Er und die Besatzung des anderen Schiffs blieben zum Glück unverletzt. Doch statt Historisches zu schaffen und bei der neunten Auflage des Rennens als Erster in die Sieg-Phalanx der Franzosen einzubrechen, musste er wegen der erheblichen Schäden an seiner Jacht mit reduzierter Geschwindigkeit seine Reise fortsetzen. Ob er noch einmal an dem Rennen teilnehmen wolle, um ein noch besseres Resultat zu erreichen, ließ er am Donnerstag offen: "Es ist noch zu früh. Es ist ein ambitioniertes Unternehmen, das Podium anzupeilen."

Yannick Bestaven gewinnt das Renne

Als Herrmann noch auf dem Wasser war, wurde der Franzose Yannick Bestaven zum Sieger erklärt. Zwar hatte der 48 Jahre alte Skipper der in der Nacht 7:43 Stunden nach seinem Landsmann Charlie Dalin als dritter Segler das Ziel erreicht. Doch ihm verhalf eine Gutschrift von 10:15 Stunden auf seine Gesamtsegelzeit zum Erfolg. Bislang gewannen nur Franzosen die Regatta. Dalin hatte am Mittwochabend die Ziellinie gekreuzt. Als Zweiter kam Louis Burton an.

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