13. Januar 2021 – Stefan Angele
Das Wort "Impfpflicht" ist momentan in aller Munde. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder ist mit der Idee einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppe vorgeprescht und stößt damit auf geteiltes Echo. Während ihm beispielsweise der Chef des Weltärzteverbandes, Frank-Ulrich Montgomery, grundsätzlich zustimmt, lehnt die Bundesregierung eine derartige Pflicht kategorisch ab. Doch wie sieht eigentlich Rechtslage aus. Kann man durch den Arbeitgeber überhaupt zu einer Impfung gezwungen werden? Wir haben dazu mit einem Arbeitsrechtler gesprochen.
Drohen Kündigungen für Ungeimpfte?
Ein Zahnarzt aus München soll beispielsweise nach Medienberichten mit Kündigungen gedroht haben., wenn man sich in seiner Praxis nicht impfen. Swen Walentowski vom Rechtsportal Anwaltauskunft erklärt, dass das durchaus rechtens sein kann, aber nur wenn es tatsächlich eine Impfpflicht geben würde, wie zum Beispiel im Fall der Masern. "Aus arbeitsrechtlicher Sicht stößt das auf große Bedenken. Der Zahnarzt wird hier wahrscheinlich keinen Erfolg haben, weil es eben keine gesetzliche Impfpflicht gibt. Aus Sicht des Arbeitsrechts gibt es daher keine rechtliche Handhabe die Impfung der Mitarbeiter zu verlangen", so der Arbeitsrechtler. Sollte allerdings eine Impfpflicht kommen, dann könnte der Arbeitgeber diese Impfung auch von seinen Arbeitnehmern verlangen und gegebenenfalls auch Kündigungen bei Verweigerung aussprechen.
Impfpflichten sind nichts Neues
Es wäre tatsächlich nicht so, dass es eine Impfpflicht nicht schon in Deutschland geben würde, siehe zum Beispiel das oben genannte Beispiel der Masern. "Allerdings sind gesetzliche Impfpflichten dem Infektionsschutzgesetz nicht unbekannt", so Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Das Gesetz lasse eine Impfpflicht für den Infektionsschutz sogar ausdrücklich zu. Danach haben "bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist." Bestes Beispiel sind die Masern, bei denen eine Impfpflicht für Schüler und für in Betreuungseinrichtungen und Schulen tätige Personen besteht.
Bundesverfassungsgericht stärkt Infektionsschutzgesetz
In der Vergangenheit habe das Bundesverfassungsgericht Eilanträge gegen die Impfpflicht bereits mehrfach zurückgewiesen. Immer mit der Begründung, dass der "Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt ist", so Fuhlrott. "Wenn in der Politik daher derzeit entsprechende Überlegungen kursieren, so ist nicht ausgeschlossen, dass diese in eine entsprechende gesetzliche Impfpflicht münden werden. Sicherlich wird dies auch von der sich in den nächsten Wochen zeigenden Impfquote abhängen", mutmaßt Fuhlrott. Und: "Wesentlich für die Frage wird auch sein, ob die Impfung zu einer sterilen Immunität führt, also dazu, dass der Geimpfte andere Menschen nicht ansteckt. Führt die Impfung nur zu einem Eigenschutz, wäre eine Impfpflicht wesentlich kritischer zu sehen."
Arbeitgeber kann nur "leichte" Maßnahmen erlassen
Eine Zwangsimpfung ist damit also erst einmal klar vom Tisch. Was Arbeitgeber aber durchaus verlangen dürfen sind Vorgaben für Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung zu machen. Soll heißen: Untersuchungen wie zum Beispiel das Fiebermessen vor Betreten des Betriebs oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sind okay. "Impfen oder nicht ist kein dienstliches Verhalten und der Arbeitnehmer in seinem außerdienstlichen Verhalten grundsätzlich frei", so der Arbeitsrechtler.
In Einzelfällen kann es aber Kündigungen geben
Eine kleine Ausnahme kann es aber tatsächlich in der Pflege geben. Das Impfen kann der Arbeitgeber auch hier nicht befehlen. Zulässig hingegen ist die Verpflichtung, Schutzmaßnahmen zu wahren und sich regelmäßig testen zu lassen. Einer solchen Anordnung muss der Beschäftigte Folge leisten. Im Einzelfall könnten ungeimpfte Arbeitnehmer allerdings mit einer personenbedingten Kündigung rechnen. Wenn der Einsatz ungeimpfter Pflegekräfte eine hohe Gesundheitsgefahr darstellt, wird ein Arbeitgeber ungeimpfte Arbeitnehmer womöglich nicht mehr einsetzen können. "Gibt es dann auch keine anderen Arbeitsplätze, die einen Patientenkontakt ausschließen und auf die der Arbeitnehmer versetzt werden könnte, droht eine personenbedingte Kündigung wegen Wegfalls der persönlichen Eignung", so Fuhlrott.
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