03. März 2025 – Isabell Wüppenhorst
Tim Gafron
Von der Kinderzimmer-Morning-Show zum Profi-Moderator
Samstagmorgen, 6 Uhr. Während andere Teenager noch schlafen, moderiert Tim Gafron in seinem Kinderzimmer seine eigene Morningshow - mit Kassettenrekorder, aufgezeichneten Jingles und Gesprächen mit der Wand. Heute, 21 Jahre später, spricht er täglich zu Tausenden Hörerinnen und Hörern von Radio Hamburg.
Tim Gafron ist euer Backstage-Reporter I Foto: Radio Hamburg
Samstagmorgen, 6 Uhr. Während andere Teenager noch schlafen, moderiert Tim Gafron in seinem Kinderzimmer seine eigene Morningshow - mit Kassettenrekorder, aufgezeichneten Jingles und Gesprächen mit der Wand. Heute, 21 Jahre später, spricht er täglich zu Tausenden Hörerinnen und Hörern von Radio Hamburg. Im Interview verrät er, was das Besondere am Medium Radio ist, warum es für ihn damals keinen Plan B gab und wie seine Rolle als Ausbilder bei Radio Hamburg aussieht.
Was hat dich denn ursprünglich dazu inspiriert Radiomoderator zu werden?
Tim: Mit 13 wusste ich, dass ich zum Radio will. Ich habe viel Radio gehört und zu Hause selbst moderiert - zum Leidwesen meiner Eltern. Jeden Samstag bin ich um fünf Uhr aufgestanden, um ab sechs Uhr in meinem Kinderzimmer die Morning-Show zu moderieren, in Echtzeit, mit lauter Musik und Gesprächen mit der Wand. Außerdem habe ich Jingles und Show-Opener für das Wetter auf Kassette aufgenommen, dann abgespielt und meinen Part dazu gesprochen.
Hast du da noch Aufnahmen von?
Tim: Das könnte sein. Ich habe mich damals bei Radio Hamburg mit einer selbstgebrannten CD beworben. Im Nachhinein klingt das furchtbar zusammengewürfelt, aber der damalige Chef war beeindruckt - wahrscheinlich, weil er mich für einen absoluten Radio-Freak gehalten hat.
Hattest du einen Plan B oder war für dich immer klar, dass du Radiomoderator werden willst?
Tim: Als Kind habe ich viel N-Joy gehört. Abends gab es eine Talkshow, bei der man anrufen konnte. Einmal ging es um den Traumberuf und ich habe gesagt: „Ich will Radiomoderator werden“. Dann durfte ich am Telefon ein Lied anmoderieren. Das war für mich das Größte - und ich wusste, das will ich machen. Nach der Schule hieß es: Willst du studieren? Ich dachte: Warum? Ich wusste, was ich wollte. Also wollte ich sofort anfangen und direkt beim Radio lernen. Es gab keinen Plan B.
Irgendwann hat mein Vater gesagt: Tim, du musst mal bei Radio Hamburg reinhören. Die bieten Schülern einen Schnuppertag an.“ Ich habe gewonnen, bin aber leider in der falschen Abteilung gelandet - Events, weit weg von den Studios. Alle waren super nett, aber mein Interesse lag woanders. Das haben sie schnell gemerkt, weil ich ständig nach Moderation und Live-Sendungen gefragt habe.
Der Eventmanager hat mich nachmittags ins Büro geholt und gesagt: „Tim, wir sehen, dass dich eigentlich On Air interessiert“. Am Ende haben sie mir angeboten, noch eine Stunde zu bleiben. In dieser Zeit durfte ich mit dem damaligen Nachmittagsmoderator alle Songs im Studio anmoderieren. Das war für mich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Ich hatte meine Bewerbungs-CD dabei und ihm direkt in die Hand gedrückt.
Wie alt warst du da?
Tim: 16 Jahre alt. Danach gab es sogar einen Termin. Ich sollte natürlich erstmal die Schule zu Ende machen und dann auf jeden Fall wiederkommen. Dann kam ein Praktikum, ein Minijob am Hörertelefon, aber für ein Volontariat war ich angeblich zu jung. Ich war jeden Tag im Studio und habe mir alles selbst beigebracht. Ohne Volontariat war es aber schwer so richtig Fuß zu fassen. Also ging ich nach München.
Dort ist der Sender aber nach kurzer Zeit insolvent gegangen. Also zurück zu Radio Hamburg und wieder ein Praktikum. Da durfte ich nebenbei schon nachts moderieren. Das hatte den Vorteil, dass ich dann gleich am Anfang meines Volontariats nachts moderieren konnte.
Weil du schon alles konntest?
Tim: Ich habe einfach immer Vollgas gegeben, weil es mir Spaß gemacht hat. Ich war auch immer viel zu lang da. Ich weiß gar nicht, wie viele Abende und wie viele Stunden. Sehr viele! Aber es war einfach mein Hobby. Ich war zum Spaß da. Deshalb sage ich auch immer zu allen anderen: Übung macht den Meister. Je mehr man übt, desto lockerer wird man am Ende.
Du bist nicht nur Moderator bei Radio Hamburg, sondern auch Ausbilder für Volontäre und angehende Moderatoren. Wie genau kann man sich das vorstellen?
Tim: Ich gebe hier vor allem Fahrtrainings. Es geht um die Studiotechnik. Wie man eine Sendung fährt. Wie spielt man einen Jingle ab, einen O-Ton und wie klingt das am Ende im Gesamtbild. Dazu kommen Moderationstechniken. Wie baut man eine Moderation auf? Worauf kommt es an? Wie moderiere ich über eine Ramp, also über das Intro eines Songs? Das setzt sich Stück für Stück mit jeder Stunde, die die Volontärinnen und Volontäre dann bei mir sind, zusammen. Irgendwann ist es dann so weit, dass sie wirklich senden können. Meistens das erste Mal bei mir am Nachmittag. Da haben wir dann die Azubi-Stunde, wo ich noch im Hintergrund bin, damit ich eingreifen kann, wenn was wirklich schiefläuft. Und damit spielen wir dann auch in der Sendung.
Wie kommt das bei den Hörern an?
Tim: Die Hörerinnen und Hörer haben wirklich viel Verständnis, auch wenn man mal was falsch macht. Man sieht, wie es hinter den Kulissen aussieht. Es ist ein bisschen wie Regie führen, weil man am Ende alles unter Kontrolle hat. Bei uns ist es so, dass der Moderator für die ganze Sendung verantwortlich ist. Das heißt zum einen die Moderation und die Inhalte. Aber auch das Timing. Dass die Nachrichten pünktlich anfangen, dass die Lieder alle gespielt werden, die gespielt werden sollen, dass die Verkehrssituation oder allgemeine Situation in der Stadt schnell gemeldet wird und vieles mehr. Dafür sind wir zuständig. Nach der Sendung ist man auch ganz froh, wenn man nichts mehr sagen muss. Ich brauche immer so eine halbe Stunde, um ein bisschen runterzukommen.
Was macht dir denn am meisten Spaß daran, dein Wissen an die ganzen jungen Leute weiterzugeben?
Tim: Jeder ist anders. Manche haben ein großes technisches Verständnis, andere nicht. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man jemandem hilft, der technisch nicht so versiert ist, und irgendwann fällt der Groschen und es funktioniert. Es ist auch schön zu sehen, wie aufgeregt die Leute am Anfang sind und wie sich das mit der Zeit ändert.
Ich gebe den Volontären Aufgaben, setze Ziele und sie müssen sich wirklich anstrengen. Bei manchen Dingen muss man als Volo auch hinterher sein. Wir machen das sehr stringent, und ich glaube, das gibt es bei vielen anderen Sendern nicht. Wer bei Radio Hamburg gelernt hat, der kann bei jedem Sender in Deutschland arbeiten. Man muss sich vielleicht an andere Systeme gewöhnen, aber das Grundprinzip, eine Sendung gut zu machen, ist da.
Eine kleine Zeitreise in Bildern
Wenn du noch mal an deine 21 Jahre zurückdenkst, was war ein Highlight, dass dir immer wieder in den Kopf kommt?
Tim: Ich hatte gerade mein Volontariat beendet und habe noch in einer WG gelebt. Wir haben abends Singstar gespielt und gefeiert. Plötzlich rief mein ehemaliger Chef an und fragte, ob ich in vier oder fünf Stunden senden könnte, es sei dringend. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon ein Bier getrunken. Seine Antwort war: „Okay, wenn du ab jetzt nur noch Wasser trinkst, kannst du in vier Stunden senden“. Der ganze Stadtteil Harburg war an diesem Abend bis spät in die Nacht ohne Strom und bei uns im Sender glühten die Leitungen, weil viele nicht wussten was der Grund für den Stromausfall war.
Ich habe in dieser Nacht eine reine Talkshow gemacht. Ganz anders als unser übliches Programm. Die ganze Nacht haben Hörerinnen und Hörer angerufen, um uns ihre Fragen und Sorgen mitzuteilen. Es war eine Sendung, in der wir uns gegenseitig geholfen haben. Eine Hörerin sagte zum Beispiel: „Mein Aquarium hat keinen Strom mehr - sterben jetzt meine Fische?“ Ich habe dafür gesorgt, dass sich jemand meldet, der sich damit auskennt.
Es war ein unvergessliches Erlebnis, bei dem ich gemerkt habe, wie wichtig das Radio sein kann, um Menschen in außergewöhnlichen Momenten zu unterstützen. Genau wie damals bei Corona. Da hat man auch gemerkt, wie sehr die Menschen immer noch auf das Medium Radio setzen und wie viel Vertrauen uns entgegengebracht wird. In der Corona-Sendung hatte ich noch nie so viele Eilmeldungen wie vorher. 13 Eilmeldungen in einer Sendung!
Und dann hast du lange aus deinem Wohnzimmer in Eimsbüttel gesendet, richtig?
Tim: Das war wirklich ein Highlight. Das Ziel war: Einer muss von zu Hause senden. Wenn bei uns Corona ausbricht, müssen wir trotzdem auf Sendung bleiben. Aber wie kriegt man das hin, dass jemand von zu Hause sendet? Ich war einer der ersten Moderatoren, die Corona bekommen haben. Zwei Wochen Quarantäne waren Pflicht, dann lieber noch eine Woche länger, damit es sich nicht im Sender ausbreitet. Das Wichtigste war: Wir müssen auf Sendung bleiben.
Und dann hieß es plötzlich: „Okay, sobald du wieder gesund bist, bringen wir dir ein Studio nach Hause. Wir probieren das jetzt eine Woche aus - und dann kommst du wieder.“ Ich hatte wirklich ein komplettes Studio zu Hause, mit Mischpult und allem Drum und Dran. Im Sender wurde nur ein Regler hochgezogen und das war’s. Alles andere - von den Nachrichten bis zur Musik - lief komplett von mir zu Hause nach draußen. Das war schon ein besonderes Gefühl, zu wissen, dass man die ganze Sendung von zu Hause steuert. Und es hat funktioniert!
Wie siehst du denn die Zukunft vom Radio in einer Welt, wo Streaming-Dienste immer dominierender werden?
Tim: Früher war es die selbst gebrannte CD. Alle waren in Panik: „Oh Gott, jetzt kannst du dir deine Musik selbst auf CD brennen“. Das habe ich auch gemacht, das haben wir alle gemacht. Dann kam irgendwann der iPod und alle dachten: „Oh Gott, jetzt hört keiner mehr Radio.“ Und jetzt gibt es Streaming. Ich glaube, es hat schon immer alternative Verbreitungswege gegeben. Aber ich glaube trotzdem, dass man Radio nicht nur wegen der Musik hört, sondern auch aus anderen Gründen.
Radio bringt einem die Musik näher, weil es Moderatoren gibt, die einem etwas über die Künstlerinnen und Künstler erzählen. Das ist der eine Punkt. Du hörst die Musik, die dir gefällt, du musst dich um nichts kümmern. Das ist ein großer Faktor, weil ich selber oft merke: „Jetzt will ich Musik anmachen“, aber ich kann mich nicht entscheiden, was ich spiele, dann komme ich schnell wieder zum Radio zurück.
Deshalb glaube ich nicht, dass das Radio verschwinden wird. Die Art, wie es gehört wird, hat sich verändert. Ich selbst höre in jedem Raum Radio, weil ich überall Smartspeaker habe. Das finde ich großartig. Die Hörgewohnheiten ändern sich, aber das Radio bleibt.
Wie erklärst du deinen Freunden und deiner Familie, was das Besondere am Radio ist?
Tim: Ich bin stolz darauf, eine Arbeit zu haben, die mir Spaß macht. Das ist wirklich so, denn es hat sich für mich nie wie Arbeit angefühlt. Natürlich gibt es stressige Tage oder Phasen, in denen viel los ist, und dann komme ich auch mal völlig fertig nach Hause. Aber trotzdem ist da immer diese Begeisterung und der Spaß an der Arbeit. Ich werde oft gefragt: „Du bist schon über 20 Jahre bei Radio Hamburg?“ Ja, bin ich, weil es mir Spaß macht. Wenn es mir keinen Spaß mehr machen würde, würde ich nicht weitermachen. Dann würde ich etwas Anderes machen.
Ich probiere viel aus, zum Beispiel beim Neuheiten-Stream. Da kann ich mich richtig austoben. Ich freue mich, dass das auch online gut ankommt. Wenn die Zahlen stimmen, macht es natürlich doppelt Spaß. Außerdem ist es ein tolles Gefühl, nachmittags auf Sendung zu gehen und positives Feedback von Hörern zu bekommen, die man in ihrem Alltag begleitet. Solche Nachrichten berühren mich.
Ich erinnere mich auch an eine Situation mit einer jungen Kellnerin in einem indischen Restaurant. Sie hat zu mir gesagt: „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich wirklich mit Ihnen aufgewachsen bin. Mein Vater und ich haben Sie immer im Radio gehört.“ Das war ein großes Kompliment, und ich liebe solche Momente. Das ist das Besondere an diesem Beruf: Man ist ein unbewusster Teil des Lebens anderer Menschen. Das macht Radio so einzigartig.
30. März 2023 – Sebastian Tegtmeyer
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